Ein Gespräch mit dem Geschäftsführer von Apomedica Mag. Martin Überhuber
Martin, wie waren deine ersten Berufserfahrungen?
Jedes Jahr während der Schulferien und später im Studium beim Schichtln in Linz direkt im Stahlwerk. Das prägt dich. Du lernst einfach mit jedem zu reden. Millieubedingt zu agieren. Egal ob später bei Boehringer Ingelheim bei Präsentationen vor der Familie oder im Gespräch mit Schichtarbeitern.
Wie kamst du in die Pharmaindustrie?
Ich wollte nach meinem Studium ins Marketing für Fast Moving Consumer Products und bekam die Chance bei Henkel. Du bist zwei, drei Jahre, lernst, lernst, lernst, lernst hackeln … für wenig Geld. Viele Stunden. Nach zwei Jahren hatte ich einfach kein Bock mehr, da Spar und Rewe dir sowieso erklären, was sie wollen und du fragst eigentlich nur noch: wie viel?
Wohin gings dann?
Ich suchte und traf auf Uli Grottenthaler bei Boehringer Ingelheim, heute Geschäftsführer bei Stada OTC. Nach einem ausführlichem Gespräch, bei dem ich ihm geradeheraus gesagt habe, wie ich denke, manchmal auch emotional reagiere, wenn mich Dinge ärgern, kamen wir bald zu einem Ergebnis. Ich begann dann im Osteuropageschäft für OTC-Produkte.
Dann gings nach Deutschland?
In die Zentrale zu Boehringer. Nachdem ich in Wien 3 Jahre für das Osteuropabusiness durch Osteuropa getourt bin, kamen dann viele Jahre in der Zentrale in Deutschland. Insgesamt sieben Jahre.
Wie war Wiesbaden?
Ist ein eigenes Pflaster. Die Leute nobel, betucht und gefühlt 75+. Am Besten zum Käfer am Sonntag zum Frühstücken.
Ja, und so bin ich in die Pharmabranche gekommen. Damals hat die Pharmabranche begonnen, sich zu überlegen, an OTC-Marketing analog dem Consumer-Products heranzugehen. Ich konnte dort umsetzen, was ich bestens bei Henkel gelernt habe, nämlich Endkunden-Werbung.
Mittlerweile machen es alle. Zudem schielen viele oder fast alle Consumerfirmen auf den OTC Markt, weil sie klar sehen, dass hier noch viel Potential liegt, welches nur darauf wartet gehoben zu werden.. Die Tatsache, dass die Margen attraktiver sind als bei Putzfetzen oder Waschmittel trägt sicher auch dazu bei.
Dann kam Portugal?
Ja, und da war ich leider nur eineinhalb Jahre, denn dann wurde der Geschäftsbereich verkauft. Da hat es damals einen Tausch geben. Sanofi hatte Boehringer die Tiergesundheit verkauft und das OTC-Geschäft ging an Sanofi. Ich beschloss für mich, nicht in einem französischen Konzern arbeiten zu wollen..
Wie gings dann weiter in der Länderrally?
Ich habe mit Ernst Unger einem Weggefährten aus Boehringer Zeiten telefoniert und der hat mich zur Apomedica geholt. Das Unternehmen unter der Führung von Ruth Fischer suchte jemanden für Marketing und ich dachte: probier das. Ich wurde damals von Pierre Fornet, einem Stiftungsrat, in einem für Portugal typischen Straßencafe besucht und es kam zu einem drei Stunden!!! langen Interview. Der hat mich echt auseinandergenommen. (lacht) Der war taff, aber trotzdem angenehm im Gespräch. Er wollte alles wissen, bis ins kleinste Detail und so lies er mich z.B. bis ins kleinste Detail schildern welche Maßnahmen ich bei einer Produkteinführung setze und warum Danach gabs in Graz noch eine Interviewrunde in der Zentrale und das wars… und ich habe es bis jetzt nicht bereut.
Was waren eigentlich die Big Points bis jetzt in deiner Karriere? Wo hast du für Dich geglänzt?
Mein erstes großes Highlight war bei Boehringer. Ich habe eine TV Kampagne entwickelt. Mit einem Schleimmonster als Testimonial für Mucosolvan. Ich war bei einem Meeting in Singapur und habe dort die Idee mit einem australischen Kollegen getroffen. Gemeinsam haben wird den Spot in Rekordzeit von 2-3 Monaten gedreht, getestet und onair gebracht… Zugegeben: ich hatte so was Ähnliches schon mal in den USA gesehen… Der Spot wurde dann in über 30 Ländern der Welt ausgestrahlt. Der Traum, den normalerweise Werber immer träumen.
Und in jüngster Vergangenheit?
Wir hatten im Jahr 2018 das Jubiläum 50 Jahre Doktor Böhm. Ein Grund zum Feiern. Eine schöne Zahl für ein Unternehmen und ein tolles Signal nach außen. Wir starteten die Aktion: jedes Monat ein Produkt mit minus 20 % anzubieten. Für Apotheker und auch für Kunden. Es ging durch die Decke. Das war unglaublich. Im Jahr danach haben wir auch auf Anraten von unserem langjährigenHandelsvertreter Werner Eckert die Aktion dann quartalsweise weitergezogen. Bis heute.
Was war die strategische Überlegung dabei?
Was bringt uns neue Kunden. Wie gewinnen wir den Kampf um den Platz an der Tara. Die Überlegung war: wenn du als Unternehmen dem Apotheker etwas gibts, womit er glänzen kann und auch etwas dem Kunden weitergeben kann, dann stellt er bzw sie dich lieber an die Tara.
Was war das Ergebnis?
Es gab einerseits der Marke einen riesen Schub. Und dieses Momentum haben wir uns nicht mehr nehmen lassen, und es geht seit damals schön stetig bergauf. Wir hatten gewonnen!
Klingt nach Beharrlichkeit…
Beharrlich ja. Also Kind machte ich einmal einen Intelligenztest. Meine Mutter war sich damals nicht so sicher „was da rauskommen wird“. ..Naja, so wahnsinnig intelligent ist er nicht. Aber ehrgeizig. Und das beschreibt es wahrscheinlich am Besten.
Was war die größte Niederlage?
Beruflich war das 2012. Ich wollte aus familiären Gründen wieder zurück nach Österreich und wechselte von Boehringer zu Hilti nach Österreich quasi als Marketingleiter in spe. Man beorderte mich aber zunächst in den Außendienst, denn das Credo war: jeder muss verstehen, wie der Markt funktioniert. Am Anfang habe ich natürlich auch gebraucht, bis ich meine erste Bohrmaschine verkauft habe. Mit der Zeit war ich als Neuling gar nicht unerfolgreich. Ich besuchte damals Installateure und Tischler, die ewig von Hilti nicht besucht worden waren. Die fuhren mir, wie man so schön sagt, mit dem Allerwertesten voll ins Gesicht. „Aha. Jahrzehnte war ma nicht gut genug? Und jetzt kommt’s wieder!“
Irgendwann aber kam dann plötzlich aus Liechtenstein die Entscheidung, wir wollen einen Techniker als Marketingleiter. Ich weiß nicht, ob es vorgeschoben war oder nicht, aber das war damals ziemliches triest.
Du gingst dann wieder zurück zu Boehringer?
Ja, denn in der Zentrale ware gerade ein spannende Postion als Regional Manager Nord Europa zu besetzen. Das Lustige war, die haben mich dann für einen Job genommen, dessen Prämisse war, Vertriebserfahrung zu haben, die ich ja vor Hilti nicht hatte und die mir aber dort die Türen öffnete.
Was hast du für einen grundsätzlichen Führungsstil?
Das Wichtigste ist, Entscheidungen schnell zu treffen und klar zu kommunizieren warum so entschieden wurde. Eine Kollegin sagte mal: du gibst mir immer das Gefühl, dass ich mich selbst entscheiden kann.. Mir ist lieber jemand trifft eine Entscheidung auch wenn sich diese vielleicht nicht 100% mit meiner Meinung deckt. Ich mag es nicht wenn herumgeeiert wird und Entscheidungen nicht getroffen werden, denn dann entscheide ich. Wobei ich zugeben muss, dass ich daran arbeite, vermehrt Entscheidungen vermehrt abzugeben.. Aber das ist für mich immer noch eine Challenge. (schmunzelt).
Wie siehst du das Thema -Work Life Balance – jetzt immer wieder postuliert?
Ich persönlich – so wie meine Kollegen in meiner Altersklasse – wir verstehen es nicht ganz. Ich bin damit konfrontiert, denn alle die nachkommen leben danach. Ich tue mir schwer damit, akzeptiere es aber. Ich war und bin es nicht, weil ich für mein Unternehmen voll zur Verfügung stehe. Junge Mitarbeiter wollen rasch viel Verantwortung und spannende Projekte, die aber mit der restringierten Stundenanzahl schwer plan- und durchführbar sind.
Hat Apomedica dadurch auch ein Problem junge Mitarbeiter zu finden?
Ja natürlich der sogenannte Kampf um Talente ist auch für uns eine Herausforderung und das Thema Work-Life-Balance spielt hier eine immer größere Rolle.. Die Bewerber wollen zuerst gleich mal ganz genau wissen, wie die Bedingungen sind , wie viele Überstunden notwendig sind und wie viele home office Tage angeboten werden.. Alles Ok. Womit ich jedoch so meine Schwierigkeiten haben, wenn man im Bewerbungsgespräch bzgl. Arbeitszeiten und Karrierweg genaue Vorstellungen hat, sich aber vor der Bewerbung kaum mit dem Unternehmen und den Produkten auseinandergesetzt hat. Das verrät viel über die Arbeitsweise. Was mich selbst überrascht hat ,wie schwer ist in manchen Bereichen geeignete Bewerberinnen in der Steiermark zu finden. So haben wir einige Kollegen die aus Wien oder dem benachbarten Burgenland zu uns nach Graz kommen.
Was erwartest du sonst von Bewerbern? Ich fragte das deshalb, weil auch junge Leserinnen pharmainside immer mehr entdecken.
Ich möchte das Gefühl haben, dass der Bewerber etwas bewegen will, Gas geben, wie man so schön sagt. Brennen für das Produkt und für mich ganz wichtig: gewinnen wollen. Denn nur der oder die gewinnen wollen können ein Unternehmen weiterentwickeln.
Wer waren deine besten Mentoren?
Das waren meine ersten Chefs in Deutschland bei Boehringer – David Wright und Tim Templeman. Ein Waliser und dann in der Folge ein Australier. Beide Rugbyspieler. Die waren meine besten Mentoren. David Wright hat mich z.B. echt körperlich in den Schwitzkasten genommen und mir ziemlich klar und lautstark zu verstehen gegeben was er von mir erwartet. sehr direkt und ohne Umschweifen…aber immer mit einem Augenzwinkern – so wie er es als Rugbyspieler gewohnt war …… er hat es aber auch verstanden wirklich ein Team zu formen…, dass er am Abend zu leberfordernden Stunden einberief war natürlich auch Part of the Game.
Natürlich war dann auch der Uli Grottentahler, der mir die Chance gab, in den OTC-Bereich zu Boehringer zu kommen.
Gibt es auch so was wie einen Lieblingspartnerin der Zusammenarbeit?
Ich mag diese Frage nicht wirklich, da ich überzeugt bin, dass einer, wenn nicht der Erfolgsfaktor bei Apomedica die Kollegen sind und dies für viele bei uns mit ein Grund ist warum sie schon so lange bei der Firma sind. Aber wenn du mich so direkt frägst, ist unsere Kommunikationsleiterin Karin Kohlfürst, jemand mit dem ich mich fast blind verstehe und wir uns sehr gut ergänzen – sie ist super strukturiert und ein perfektes Organisationstalent ist…fragt sich nur was ich einbringe 😉
Martin, wo geht die Reise noch hin?
Ich fühle mich momentan im Unternehmen pudelwohl, habe von der Eigentümerin Frau Ruth Fischer alle Freiräume, um erfolgreich sein zu können. Bewegungsfreiheit, die in einem Konzern unmöglich wären. Jetzt habe ich alle Hände und Füße voll zu tun, um das Deutschlandgeschäft für Dr. Böhm zu forcieren beziehungsweise mit aufzubauen. Eine Challenge im Land der Phytopharmaka Hersteller. Aber wir werden das in den nächsten Jahren schaffen.
Alles Gute Martin und danke fürs Gespräch. https://www.apomedica.com/
Herbert Pachler, 19.05.2023