Wieder einmal ist die Pharmaindustrie und deren vermeintliche Tricks Ärzte zu beeinflussen Mittelpunkt von Recherchen deutscher Medien. Diesmal haben sich gleich mehrere Verlage zu einer gemeinsamen Recherche zusammengetan, um über die sogenannten “Anwendungsbeobachtungen (AWB)”, oder “Nicht interventionelle Studien (NIS)” her zuziehen. Aufgebracht hat das Thema die durch Stiftungsgelder finanzierte Redaktion Correctiv, die sich durch 31,5 kg AWBs aus den Jahren 2009 bis 2014 gewühlt hat, Süddeutsche Zeitung, NDR und WDR haben sich angeschlossen. Gemeinsam zieht man nun gegen die Pharmaindustrie ins Land. “Millionengeschäft mit Pseudo-Studien” titelt zum Beispiel die SZ, Correctiv schreibt von “Schein-Forschern” und die Nachrichtenredaktionen von NDR und WDR berichten von “17.000 Ärzten, die für die Teilnahme an den umstrittenen Studien bezahlt würden“.
Das Thema ist nicht neu, sind doch die AWBs ob ihrer Zuwendungen an Ärzte für deren administrativen Aufwand seit jeher Anlass zur Kritik. Immer wieder wurde die Industrie verdächtigt, mit den Honoraren Umsatz zu erkaufen bzw. die Verschreibungen der Ärzte zu beeinflussen. Genau diese Kritik hat dann auch dazu geführt, dass strenge juristische Vorgaben die Durchführung dieser Studien regeln sollten. Die Meldepflicht jeder einzelnen AWB und jedes einzelnen teilnehmenden Arztes an die Zulassungsbehörde und an die zuständigen kassenärztlichen Vereinigungen sollte Licht ins Dunkel bringen und zur Transparenz beitragen. Außerdem sorge, so der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller Deutschlands (vfa), die Freiwillige Selbstkontrolle für die Arzneimittelindustrie für deren ordnungsgemäße Überwachung.
Was hat nun zu diesem neuerlichen “Aufschrei” in den eigentlich sehr kritischen deutschen Blättern geführt? Einerseits sicherlich die Sensationslust an allem was die Beziehung Pharmaindustrie und Ärzteschaft in ein korruptes Licht stellt. “Pharma bzw. Ärzte-Bashing” ist ein Thema, dass Auflagen und Einschaltquoten steigen lässt. Aber diesmal lag es wohl auch am Ausmaß bzw. an der Anzahl der durchgeführten Studien die hier kritische Journalisten zu dieser Wortwahl greifen lies. So sollen laut Recherche allein im Jahr 2014 durch mehr als 1300 Anwendungsstudien an die 100 Millionen Euro von der Industrie an teilnehmende Ärzte geflossen sein. 17.000 Ärzte hätten dabei über 1,7 Millionen Patienten in eine entsprechende AWB eingeschlossen. Für die SZ wirft sich, ob der Großen Anzahl, die Frage auf, ob “womöglich Patienten Präparate verschrieben bekommen, weil ihr Arzt daran verdient.”. NDR und WDR wiederum stoßen sich an den Studien per se, so seien diese doch, laut des Leiters des IQWiG, Prof. Dr. Jürgen Windeler, “wissenschaftlich wertlos”. Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, legt noch nach und kritisiert vor allem die weit verbreiteten Anwendungsbeobachtungen bei generischen Krebsmedikamenten. “Ich vermute, dass man mit Hilfe von Anwendungsbeobachtungen Ärzte auf einzelne Hersteller einschießen will.”